Hauptsache geliebt! Danke!

Die Aussichten für den heutigen Tag waren dazu angetan, dass er wohl in die Füße gehen wird. Pünktlich um sechs Uhr sind wir aus den Federn geworfen worden. Und schnell, schnell, schnell zusammenpacken, Frühstück vorbereiten und aufräumen, denn um halb acht sollten wir schon für den Abmarsch fertig sein. Es sollten fast 28 Kilometer bis nach St. Pölten werden. Aber am Mittag wartete der Pfarrer Christof Heibler in Prinzersdorf auf uns und lud uns in einem kleinen Beiserl zum Mittagessen ein. Im Schatten der Bäume und in der Laube genossen wir nicht nur das feine Essen, sondern spannten und k¸hlten auch aus. Das war wirklich eine Stärkung, die viel Kraft für die noch verbleibenden zehn Kilometer gab. Denn die Sonne brannte ziemlich unbarmherzig vom Himmel. Um halb sechs kamen wir in den kühlen Gewölbe des Franziskanerklosters an und wurden sehr freundlich empfangen.

Und hier sollte der Tag noch das i-Pünktchen erhalten. Johannes Steinbacher und seine Frau Doris hatten uns ein paar Tage begleitet. Johannes erzählte uns nämlich die traurige und zugleich schöne Geschichte seiner noch jungen Familie. Gott hatte Johannes und Doris ein Kind geschenkt, bei dem ein Genfehler vorlag. Weil es nach der Geburt bald sterben würde, riet der Arzt, das Baby abzutreiben. Das kam für Doris und Johannes nicht in Frage und so erblickte die kleine Anna am 27. Juni 2021 das Licht der Welt. Vermutlich war sie zu großen Teilen blind und taub, denn sie reagierte nur wenig auf äußere Reize. Dadurch konnten Doris und Johannes ihr kleines Töchterchen überallhin mit hinnehmen. Sie schlief meistens und ließ sich von der Umgebung nicht stören. Dass Anna trotzdem etwas wahrnahm, merkten ihre Eltern indem sie, als sie bei der Großmutter war, ihre 200 Milliliter aus dem Fläschchen nicht trank. Kaum bei der Mutter, trank sie wieder ganz normal. Johannes und Doris setzten sich mit der Palliativklinik St. Josef in Wien in Verbindung. Dort kümmert man sich um sterbende Kinder und deren Eltern. Sie wird auf Spedenbasis geführt. Anna lebte wider Erwarten fast ein Jahr und starb am 13. Mai in diesem Frühjahr. Johannes erzählte uns, wie sie nach dem Tod Annas alles organisierten und schließlich Johannes und Doris selber die kleine Anna zu Grabe trugen. Er betonte, dass die Beerdigung eine Mischung aus Trauer und Freude war.  Jetzt freue er sich auf den Himmel. Da Anna ja nach der Taufe nicht mehr sündigen konnte, ist sie sofort in den Himmel gekommen. Johannes betonte die Stütze des katholischen Glaubens in diesen Stunden und, dass durch die Anna die Beziehung zwischen seiner Frau Doris und ihm viel tiefer geworden sei. Auch die Verbindung zur Jugend für das Leben sei für seine Familie eine große Hilfe gewesen, so Johannes Steinbacher. Er möchte in Zukunft nicht mehr hören: „Hauptsache gesund“ sondern „Hauptsache geliebt“.

Nach überlieferter Messordnung wird für verstorbene kleine Kinder ein Engelamt statt einem Requiem gefeiert. Denn nachdem durch die Taufe die Erbsünde gelöscht und dem Kind die Gotteskindschaft geschenkt wird, geht die Theologie davon aus, dass ein kleines Kind unmittelbar nach seinem Tod in die Chöre der Engel aufgenommen wird. Wenn die Eltern einmal sterben werden, wird ihnen ihr Kind als Engel entgegeneilen. Man kann und soll ein solches Kind auch um seine Fürsprache an Gottes Thron anrufen.

Eines ist uns allen durch die Geschichte von Johannes, Doris und Anna bewusst geworden: Auch ein schwerst behindertes Kind ist ein vollwertiger Mensch. Auch das Leben der kleinen Anna war ein Geschenk. Auch diese benachteiligten Kinder müssen von uns geliebt werden. Die Geschichte der kleinen Anna ist uns allen zu Herzen gegangen. Sie war wie eine Belohnung für den heutigen Tag. Abgeschlossen haben wir den Tag mit der Feier eine heiligen Messe zu Ehren der heiligen Engel.
Hoffentlich erzählen Johannes und Doris ihre Geschichte mit Anna noch vielen anderen. Hauptsache geliebt! Danke!

P. Kaufmann